Von Rassehunden und Tierschutzhunden

In Deutschland leben geschätzt ca. 8-10 Millionen Hunde bei ca. 9 Millionen Hundehaltern. Diese teilen sich in Rassehunde und Mischlinge bzw. Hunde aus dem Tierschutz (TS-Hunde) auf. Der Umsatz in der Heimtierbranche für Hund und Katze beläuft sich auf über 8 Milliarden EUR.  An dieser Summe sehen Sie, wie aktuell das Thema Hund und somit auch der Rassehandel und der Tierschutz ist.
Betrachten wir zunächst die Rassehunde.
In den vielen Jahren und durch immer neue Anforderungen der Menschen an die Hunde sind mittlerweile heute eine Vielzahl von verschiedensten Hunderassen entstanden.  Es gibt heute geschätzt über 1400 Rassen, wobei als offiziell eingetragene Rassen nach FCI (Fédération Cynologique Internationale) ca. 366 gelten.Die FCI definiert Rasse als „eine Gruppe von Individuen, die gemeinsame Merkmale aufweisen, die sie von anderen Vertretern ihrer Spezies unterscheiden, und die durch Vererbung übertragbar sind“. Man kann auch sehr einfach ausgedrückt sagen: Als Rasse bezeichnet man unterschiedliche Kreuzungen verschiedener Hunde und deren Eigenschaften und Aussehen mit einer genetischen Zielsetzung.
Nur so konnte man eine solche Vielfalt an Körperformen, Färbungen, Größen, Eigenschaften und Spezialisierungen erreichen. Die ursprüngliche Form der Rassezucht ging sicherlich vorrangig auf den Wunsch des Menschen zurück, einen Hund zu züchten, der speziell für die Erledigung bestimmter Aufgaben besonders geeignet ist.

Überlegungen bezüglich des Tierschutzes spielten wohl früher kaum eine Rolle, denn der Nutzen für den Menschen mit dem Ziel auf eine bestimmte Verwendungen der Hunde stand im Vordergrund.  Es wurden reine „Spezialisierungen“ angestrebt.
Dementsprechend gab es früher auch weitaus weniger verschiedene Rassen. Mit der Entwicklung der Zivilisation, des Wohlstandes und den sich laufend verändernden Vorstellungen der Menschen in Bezug auf Hunde entstanden erst die vielen verschiedenen Rassen. Wurde früher eher auf eine Art Spezialisierung des Hundes für bestimmte Anforderungen geachtet, so wird heute eher auf optische Ausführung und Familientauglichkeit beim Hund Wert gelegt. Diese Entwicklung ist einher gehend mit der grundsätzlichen Entwicklung des Stellenwertes eines Hundes in unserer heutigen westlichen Wohlstandsgesellschaft. Hunde sollen immer weniger einen Job erledigen. Sie sollen vielmehr in die Familie, zu unserem Lifestyle und zu unseren Schönheitsidealen passen.

Leider zeigt auch hier die extrem hohe Anzahl der verschiedenen Rassen, dass die populäre und aktuelle Nachfrage das Angebot bestimmt.  Diese Entwicklung empfinde ich als bedenklich, denn die Negativ-Ergebnisse solcher Züchtungen sieht man leider mittlerweile viel zu oft.
Es wird auch oftmals keine vernünftige Selektion bei Zuchten betrieben, solange diese Zucht den optischen von Menschen gemachten Normen der Verbände entspricht. Das deutsche, österreichische und schweizerische Tierschutzgesetz regelt zwar die gesundheitlich relevanten Zuchtziele und das Verbot von Qualzuchten, jedoch ist eine eindeutige unmissverständliche Definition, was eine Qualzucht ist, nicht klar hinterlegt. Aus diesem Grund entstanden und entstehen immer wieder Züchtungen mit für mich tierschutz-bedenklichen Merkmalen und Folgen. Es werden Hunde gezüchtet, bei denen die körperlichen Proportionen so aus dem Gleichgewicht geraten sind, dass sie z.B. nicht mehr richtig laufen und/oder nicht mehr richtig atmen können. Es werden Größen gezüchtet, die ein normales und artgerechtes hündisches Leben nicht mehr zulassen. Hunde bestimmter Rassen kommen mit verkürztem Gesichtsschädel zur Welt oder können nur noch durch Kaiserschnitt geboren werden, da eine natürliche Geburt durch die Mutterhündin nicht mehr möglich ist. Es gibt Rassen, die stark unphysiologische Gelenkstellungen haben und bei denen dadurch ein frühzeitiger Verschleiß, Arthrosen, Kreuzbandrisse usw. vorprogrammiert sind.  Es gibt nicht wenige Hunderassen mit Anomalien der Haut (Faltenbildung, Hängelefzen), der Augen (zu große Lidspalte, lose Kopfhaut, Vorstehen des Augapfels) bis hin zu Züchtungen mit Haarlosigkeit und Hunden mit gewolltem offenem Rücken. Dies alles und noch viele weitere Beeinträchtigungen durch Züchtung finden wir nach wie vor bei Rassehunden, und oftmals sehen wir das als normal oder sogar schön an. Das Tierschutzgesetz greift hier leider nicht oder nur viel zu wenig. Leider wird heute die Beachtung der Wesensstärke, der neurologischen und körperlichen Gesundheit allzu oft vernachlässigt.

Heute sollen bei uns Hunde, die ursprünglich als absolute Spezialisten gezüchtet wurden, überwiegend als Familienhunde dienen und tauglich sein, weil sie momentan den Wunschvorstellungen der Menschen oder der Mode entsprechen. Oftmals werden diese Hundetrends durch die Medien hervorgerufen. Der zukünftige Hundehalter lässt sich dadurch beeinflussen und bekommt dann häufig einen aktuellen Trendhund, der aber nicht unbedingt ein einfach zu händelnder Familienhund ist und auch nicht immer in die jeweilige individuelle Lebenssituation der Menschen passt.  Die daraus entstehenden Probleme sind vorprogrammiert. Wenn man nun noch die Preise, die ein Rassewelpe teilweise kostet und den allgemeinen Trend zum Hund berücksichtigt, kann man sich den wirtschaftlichen Faktor sicherlich vorstellen. Dieser spielt eine nicht unwesentliche Rolle bei der Züchtung der Rassen und der Bedienung der aktuellen Hundetrends. Verstärkt sind in den letzten Jahren neben den schon immer vorhandenen Rassehunden die Tierschutzhunde und Mischlinge mehr und mehr beliebt geworden. Dies hängt sicherlich auch mit der starken Verbreitung an Haushunden bei uns, aber vor allem auch mit dem Hintergrund des Helfen-wollens zusammen.
Unsere Tierheime sind voll mit Hunden in allen Größen, Farben und jeden Alters. Daneben gibt es mittlerweile auch eine fast unübersehbare Anzahl von Tierschutzgruppen und Organisationen. Nach dem Motto: Wenn wir uns einen Tierschutzhund holen, haben wir etwas Gutes getan und vermeintlich einem Hund ein besseres Leben gegeben.

Dieses trifft sicherlich auch oftmals zu, aber leider nicht immer. Ich möchte hier an dieser Stelle einfügen, dass ich absolut für den Tierschutz bin, diesen aber auch differenziert sehe und nicht alles und pauschalisiert gut heiße in Bezug auf die Masse an Auslandshunden, die nach Deutschland geholt werden. Jeder Hundehalter, der sich einen Auslandshund holen möchte, sollte sich daher intensiv mit diesem Thema beschäftigen. Ihm sollte auch klar sein, dass sich nicht jeder Hund aus dem Ausland hier bei uns besser fühlt und auch nicht alle Hunde aus dem Ausland und dem Tierschutz aus absolut schlechten Verhältnissen kommen und gequält oder misshandelt wurden. Sicher gibt es leider genügend Fälle von Quälerei, Misshandlung und sehr schlimmer Haltung, und da ist es gut, dass die Tierschutzorganisationen und viele andere Gruppierungen helfen.

Aber wir sollten eben nicht pauschalisiert alle Hunde einfach nach Deutschland holen, sondern darauf achten, ob es im jeweiligen Fall auch wirklich Sinn macht. Viele Hunde im Ausland, s.g.  Schensihunde und Straßenhunde führen ein selbstbestimmtes hündisches Leben wie sie es auch nicht anders kennen. Unsere Ansprüche und Erwartungen, wenn wir solche Hunde zu uns holen, sind nun mal nicht gleichzusetzen mit den Erwartungen und der gelebten Selbstbestimmtheit dieser Hunde. Alleine daraus ergeben sich dann oft sehr viele Probleme im Zusammenleben mit diesen Hunden, da diese Hunde einen „goldenen Käfig“ mit viel, oftmals zu viel menschlicher Nähe, nicht kennen und nicht gewohnt sind. Ein anderer Aspekt in Bezug auf Auslandshunde sind Hunde, die bewusst durch ihre Besitzer ausgesetzt wurden, da sie nicht mehr als Spezialisten für die ihnen zugedachten Arbeiten zu gebrauchen waren. Hier insbesondere die vielen ausländischen Herdenschutz-, Jagd- und Treibhunde, die zu uns kommen. Ich habe in den Jahren viele von ihnen mit ihren verzweifelten Menschen bei mir im Training gehabt. Diese Hunde sind genetisch aber auch in ihrer Sozialisierung in Bezug auf Umwelt und Zusammenleben mit uns in unserer Gesellschaft oftmals hier bei uns über- und auch unterfordert. Sie haben natürlich einen stark ausgeprägten Jagd- und Schutztrieb und oftmals weniger direkte Bindung und eine hohe Unsicherheit. Diese Hunde kommen nun zu uns nach Deutschland und die Probleme sind allzu oft vorprogrammiert.

Betrachten wir mal die ausländischen Straßenhunde! Hier meine ich jetzt nicht die Müllkippenhunde in den Großstädten, vielmehr meine ich die unzähligen Dorfhunde in kleineren Städten und Gemeinden im Ausland. Diese Hunde führen einen eigenständigen Tagesablauf und gehören oft zu Menschen aus diesen Dörfern und Städten.
Nur der Umgang und das Zusammenleben mit Hunden ist in diesen Ländern halt anders als bei uns. Die Hunde werden dort noch so gehalten, wie es früher auch mal in Deutschland war. Die Hunde halten sich tagsüber meistens in losen zusammen gewürfelten Gruppen im und um das jeweilige Dorf auf und gehen gegen Abend zurück zu ihren Menschen und ihren Häusern.  Auch diese Hunde werden aus gutgemeintem Tierschutz oft tagsüber eingefangen und zu uns nach Deutschland verbracht. Wenn man es genau betrachtet, kann es sogar den Tatbestand des Diebstahls erfüllen, denn diese Hunde können ja durchaus auch einem dortigen Menschen gehören. Übrigens ist bei diesen Hunden das Tragen von Halsbändern nicht üblich. Und auch hier stellt sich natürlich grundsätzlich die Frage, ob sich diese Hunde bei uns wohler fühlen als in ihrem alten selbstbestimmten Leben und in ihren gewohnten Tagesabläufen.

Ein gutes Beispiel hierfür ist sicherlich auch einer meiner eigenen Hunde: „Sabi“ wurde mir über einen befreundeten Tierschutzverein, mit dem ich seit vielen Jahren sehr eng und partnerschaftlich arbeitete, zur Übernahme angebotenEs sei erwähnt, dass „Sabi“ zu diesem Zeitpunkt bereits in Deutschland war. Seine Herkunft und sein damaliges Leben sind, was man ja nicht immer weiß, recht gut nachvollziehbar. „Sabi“ lebte sein damaliges Leben nicht mit Menschen zusammen, sondern in der Natur vermutlich in einer festen Hundegruppe in den Bergen von Anatolien in der Nordtürkei. Er ist wohl dort in der Natur aufgewachsen und lebte so viele Jahre selbstbestimmt, musste sich seine Nahrung meistens erarbeiten oder erjagen, musste sich innerhalb dieser Hundegruppe behaupten und ein seiner Umgebung und in seinem Tagesablauf ein entsprechendes Verhalten entwickeln. Ein direkter Einfluss durch Menschen ist wohl nicht erfolgt und wenn doch, dann durch Negativ-Erfahrungen. „Sabi“ kam im Alter von ca. 4-5 Jahren zu mir. Er kannte so gut wie nichts von dem, was für uns und unsere hiesigen Haushunde normal und alltäglich ist. Angefangen beim Fernseher, über Autos bis hin zu Häusern, Wohnungen und vielen Menschen. War es nun sinnvoll „Sabi“ nach Deutschland zu holen oder nicht? Man kann hierüber unterschiedlicher Meinung sein und es gibt sicherlich genügend Argumente dafür und dagegen. Ich persönlich wäre dagegen gewesen. Aber er war nun mal schon hier und so habe ich ihn nach langem Zögern und reichlicher Überlegung zu mir genommen. Ich gestehe, dass es am Anfang eine harte Nummer mit ihm war und ich sehr viel Geduld, Einfühlungsvermögen und sicherlich auch all meine Erfahrung und Kompetenz als Trainer brauchte, um aus ihm „einen Hund“ werden zu lassen, der sich heute bei mir und in unserer Umgebung wohl fühlt. Aber selbst nach mehreren Jahren gab es immer wieder Situationen, in denen man direkt und unmittelbar an seinen Reaktionen auch seine Herkunft und sein früheres Leben sehen und bemerken konnte. Heute bin ich natürlich froh einen so tollen Hund gehabt zu haben, der noch so ursprünglich in seinem Verhalten und seinem Wesen war und von dem ich unendlich viel hündisches Verhalten und hündischen Ausdruck lernen konnte. Bitte berücksichtigen Sie aber, so positiv diese eigene Geschichte auch ist, dass „Sabi“ sicherlich kein Hund für die Mehrzahl der Hundehalter gewesen wäre und ist. Es ist mein Beruf und meine Berufung täglich 24 Stunden mit Hunden zusammen zu sein, und ich habe das Glück, so viel Zeit und Energie für „Sabi“ zu haben, wie sie ein normaler Hundehalter sicherlich nicht aufbringen kann.

Abschließend ist zu sagen, ich bin für Tierschutz und auch für die Rettung von Hunden aus dem Ausland. Aber ich wünsche mir, dass der Auslands-Tierschutz ein wenig differenzierter betrachtet und gehandhabt wird. Solange sich die sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Verhältnisse in diesen Ländern nicht ändern, wird es immer Hunde geben, die ein unschönes und teilweise schlimmes Dasein führen. Eine nachhaltige Änderung und Dezimierung ist hier auch nicht alleine mit Kastrationsprogrammen möglich und auch nicht durch die Einfuhr dieser Hunde nach Deutschland. Es ist wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Und solange auch an dem Auslandstierschutz Geld verdient wird, ja das wird es, so lange wird sich die Situation nicht ändern können.

Ich kenne viele Tierheime, die nur noch überleben können, indem sie aus dem Ausland möglichst jüngere, mittelgroße Hunde holen, da diese leicht zu vermitteln sind. Soll heißen, wo eine stetige Nachfrage ist, ist auch ein stetiges Angebot. Übrigens müssen die Tierheime oft so handeln, da sie mit diesen „leicht vermittelbaren“ Hunden leider die Langzeitinsassen und problematischen Hunde finanzieren müssen. Diese Hunde sind übrigens so gut wie nie Hunde, die aus dem Ausland direkt in die Tierheime kommen, sondern Hunde, die durch falsches Verständnis und falschen Umgang ihrer Menschen erst bei uns problematisch wurden und dann ins Tierheim abgeschoben worden sind. Von diesen Hunden sind es übrigens überwiegend die Hunde, die über Internet und entsprechende Onlinebörsen quasi direkt im Ausland „bestellt“ wurden, ohne diese Hunde vorher persönlich kennen zu lernen und zu schauen, ob diese Hunde überhaupt in das jeweilige Leben des Menschen passen. Hierdurch ist unnötiger Stress für die Hunde, aber auch für die Menschen oftmals vorprogrammiert.
Aus diesem Grund ist meine Bitte an alle Menschen, die sich einen Hund holen wollen:  Holt einen Hund aus dem Tierschutz, aber bitte nicht online bestellen, sondern geht zu den jeweiligen Tierheimen und Organisationen mit Pflegestellen hier bei uns. Lernt diese Hunde hier vor Ort erst ausführlich kennen, holt euch vor bzw. mit Übernahme des Hundes professionelle Hilfe und Unterstützung.

© Andreas Schmitt -2025 
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