Hundetraining im Wandel der Zeit – im Wandel der Gesellschaft

Unsere Hunde sind genauso individuell wie wir Menschen. Aus diesem Grund kann es keine festgelegte und starre Erziehungsmethode geben. Schon gar nicht durch Onlinetraining. Das ist meine feste Überzeugung.


Mit der Änderung des Stellenwertes unserer Hunde haben sich auch in den letzten Jahrzehnten die Erziehung und das Training unserer Hunde verändert. Hunde hatten früher einen anderen Stellenwert bei ihren Menschen und in der Gesellschaft. Entweder waren sie Haus- und Hofhunde ohne spezielle Ausbildung und Training, oder sie wurden beruflich, aber auch hobbymäßig als Wach-, Schutz- und Jagdhunde ausgebildet.

Es gab und gibt den Gebrauchshundeverein wie z.B. Schäferhundverein, den Rottweilerverein, in späteren Jahren auch den allgemeinen Hundesportverein. In diesen Vereinen ging und geht es auch heute noch überwiegend um eine klassische Ausbildung und den absoluten Gehorsam der Hunde. Die Ausbildungsmethoden waren sicherlich auch oftmals aversiv, bis hin zur Anwendung tierschutzbedenklicher Mittel. Der Hund wurde als Gebrauchshund (Gebrauchsgegenstand) angesehen und auch behandelt. Es ging vorrangig um das Bestehen und die Abnahme von Prüfungen und das Funktionieren der Hunde. Man traf sich regelmäßig in den Vereinseinrichtungen, um sich auszutauschen, gesellig zu sein und mit den Hunden zu arbeiten. Die Hunde wurden auch oftmals im privaten Bereich bei ihren Menschen nicht im Haus, sondern in Zwingern gehalten. Natürlich gibt es auch heute noch diese Hundevereine, aber durch den Wandel unserer Gesellschaft und somit auch den Stellenwert unserer Hunde vor allem in Richtung Familienhund, ist die Anzahl dieser Vereine rückläufig, was auch gut so ist.

Dafür ist in den letzten Jahren die Zahl der Hundeschulen, Hundetrainer, Hundeverhaltensberater und sonstigen Definitionen kontinuierlich gestiegen, einhergehend mit einer unüberschaubaren Anzahl von Erziehungskonzepten und Trainingsmethoden. Parallel hierzu hat sich auch die grundlegende Behandlung unserer Hunde in der Erziehung und im Training geändert. Wo früher, wie bereits erwähnt, oftmals aversiv erzogen und trainiert wurde, wird heutzutage überwiegend mit positiver Bestätigung und rein positiver Erziehungs- und Trainingsform gearbeitet. Früher wurden in der Regel den Hunden klare und unmissverständliche Grenzen in ihrem Verhalten gesetzt, die ihnen durchaus auch mal wenn nötig, durch körperlichen Impuls klar gemacht wurden. Heutzutage ist dies verpönt und man setzt auf positive Verstärkung und Alternativverhalten, was unter Zuhilfenahme von allerlei Hilfsmitteln und Leckerchen stattfindet. Man kann dies sicherlich ganz gut mit dem Wandel in den Erziehungsmethoden unserer Kinder vergleichen.

So kann man sich auch die heutige Hundeszene vorstellen. Hier sei aber bereits gesagt, dass man einfach nicht grundsätzlich die Erziehung und das Verhalten von Hunden immer mit denen der Kinder und Menschen gleichsetzen kann. Dies ist auch neben der steigenden Anzahl von Familienhunden ein Grund dafür, dass es immer mehr vermeintlich passende Angebote an Hundetraining gibt, denn es gibt auch immer mehr schlecht erzogene Hunde bis hin zu den sogenannten Problemhunden. Hier stellt sich ganz klar die Frage: Werde ich dem Naturell der Hunde durch diese aktuellen und populären Erziehungsformen gerecht? Unsere Hunde haben diesen Wandel in den Umgangsformen nicht vollzogen. Unsere Hunde sind die gleichen Hunde, wie vor 30 Jahren. Ich kann aus meiner eigenen mehrjährigen Erfahrung als Hundetrainer folgendes feststellen:

Ich habe immer mehr Kunden, die mit ihren Hunden Hilfe suchen, weil sie nicht mehr mit diesen Hunden klarkommen und der Leidensdruck zu groß geworden ist.

Trotz des Besuchs teilweise mehrerer Hundeschulen und Hundetrainer haben sie mit ihren Hunden keinen nachhaltigen und wirklichen Erziehungserfolg in der Vergangenheit verzeichnen können. Ihr Leben mit den Hunden gestaltet sich meistens sehr stressig und wenig entspannt.

Diese Entwicklung der immer mehr werdenden „problematischen“ Hunde und ihrer Halter halte ich wirklich für sehr bedenklich und für alle Parteien bedauernswert. Die steigend negativen Auswirkungen im alltäglichen Leben und im täglichen Miteinander zwischen Mensch und Hund sind bereits seit längerer Zeit spürbar und feststellbar. Hier sind zu erwähnen die ständig steigende Anzahl von Meldungen über ausgelegte Giftköder, die immer mehr werdenden Anzeigen bei den Ordnungsämtern, die immer strenger werdenden Gesetze in Bezug auf die Hundehaltung.  Aber auch die stetig wachsende Anzahl von wirklich verhaltensgestörten Hunden. Viele Hunde sind nicht mehr in der Lage auch nur eine geringe Frustration auszuhalten, sich zu konzentrieren und gesetzte Grenzen einzuhalten, weil viele aktuelle Erziehungsformen dies nicht üben und die Hunde es somit nicht lernen. Das hat zur Folge, dass ein harmonisches und entspanntes Zusammenleben mit ihren Menschen und in unserer Umwelt für diese Hunde kaum möglich ist. Es ist nun mal so, dass zum Leben in einer Gesellschaft auch Grenzen, nicht erfüllte Wünsche und Vorstellungen gehören.

Auch unsere Hunde leben in dieser Gesellschaft. Von daher trifft dies auch auf sie zu.
Wenn Ihr Hund zu Hause der König ist, wird er nicht verstehen, warum draußen nicht auch
sein Königreich ist.

Des Weiteren werden heute viele Hunde als Statussymbol, für sportliche Wettkämpfe und für Ausstellungen eingesetzt. Oftmals sind hierbei die Anforderungen, Vorstellungen und Wünsche dieser Hundemenschen in keinster Weise auf die Grundbedürfnisse der Hunde abgestimmt, sondern überwiegend auf die Ideale dieser Menschen.

Es ist dann nicht verwunderlich, dass ganz viele Hunde wirklich durchdrehen, da sie nun mal diese Menschenideale nicht wirklich erfüllen können.

Auch erlebe ich immer wieder Hundehalter, die zu mir kommen und für ihren Hund die Betriebs- und Bedienungsanleitung von mir haben möchten. Hier sei gesagt: Unsere Hunde sind keine Maschinen, die wir mit einer Bedienungsanleitung steuern können. Unser Handeln muss intuitiv, ehrlich und der Situation angepasst erfolgen.


Das soll heißen, der Hundehalter möchte eine möglichst einfache und klare Formel zur Behebung des unerwünschten Verhaltens in Form von Symptombehandlung bei seinem
Hund haben. Er möchte nur den Hund verändern. Dies am besten noch schriftlich oder via TV und Internet unter Einsatz von diversen Hilfs- und Bestechungsmitteln sowie mit möglichst wenig Eigeninitiative. Er verändert damit aber nicht die eigentliche Ursache, die zu dem störenden Verhalten des Hundes führt. Diese Form der Hundeerziehung ist ja vermeintlich leichter und einfacher, als an Ursachen zu arbeiten und sich als Mensch selbst im Umgang mit seinem Hund zu ändern und anzupassen. Es wird leider allzu oft nur versucht, mit den oben erwähnten Mitteln und der Symptombearbeitung den Hund zu manipulieren und passend zu machen. Ein gutes anschauliches Beispiel hierfür ist auch, dass man sich vom Sofa aus oder via Onlinekurs bis hin zu den unzähligen Hundeerziehungsbüchern, für die Hundeerziehung noch nicht einmal aus dem Haus begeben muss.

Von überall werden mir leicht verständliche, fertige und pauschalisierte Konzepte angeboten. Ob diese nun für den/meinen jeweiligen Hund, seine Lebenssituation und seine Menschen passen und zutreffend sind, darüber wird viel zu wenig nachgedacht. Auch hierbei spiegelt sich unsere heutige Gesellschaft wider, die durch Informations- und Reizüberflutung zu jedem Thema allen möglichen Input erhält und somit kaum noch die Inhalte und Themen hinterfragt.
Nach dem Motto: Hauptsache ich bekomme auf dem schnellsten und einfachsten Weg eine Antwort auf meine Frage, jedoch ohne diese Antwort selbst zu hinterfragen.

Durch diese Entwicklung, die sich nicht aufhalten lässt und die auch in vielen Bereichen gut und sinnvoll ist, bleibt jedoch die Natürlichkeit, die Intuition und der natürliche Umgang
mit unseren Hunden auf der Strecke. Dies alles soll in Bezug auf unser Leben mit Hunden nicht heißen, dass alles falsch läuft und nichts funktioniert oder es keine guten Hundeschulen und -trainer mehr gibt.  Doch, die gibt es! Hundetrainer, die mit ihren jahrelangen Erfahrungen, einem fundierten Wissen und mit einem natürlichen Umgang mit Hunden eine sehr gute Arbeit leisten und vielen Mensch-Hund-Teams bereits zu einem entspannten Miteinander verholfen haben. Es sind Hundetrainer und -schulen, die nicht nur immer den neuesten Erziehungsmethoden nachlaufen und diese anbieten, die nicht alle Trends mitmachen und die versuchen, wieder mehr Natürlichkeit im Umgang mit Hunden zu unterrichten. Es sind die Trainer, die den Hund als Hund sehen, betrachten und behandeln, losgelöst von eingefahrenen Methoden und den immer aktuellsten Trainings-Trends. Die das Training auf das jeweilige Hund-Mensch-Team individuell und unter Berücksichtigung der jeweiligen Charaktere und Möglichkeiten von Mensch und Hund abstimmen. Es sind die Trainer, die auf den Hundehalter eingehen und versuchen, diesen an seinen Hund heranzuführen und nicht andauernd versuchen, den Hund zu ändern. Nehmen Sie sich die Zeit, in Ruhe und auch mit kritischem Hinterfragen den für Sie passenden Trainer oder die passende Hundeschule zu finden. Dabei sollten Sie immer auch auf ein stimmiges Bauchgefühl achten. Dies gilt sowohl für die verwendeten Methoden der Hundeerziehung und deren praktische Umsetzung außerhalb der Trainingsstunden als auch für den Hundetrainer selbst. Denken Sie daran, dass es hier nicht um pauschalisierte Bedienungsanleitungen für den Umgang mit Ihrem Hund geht, sondern dass es sich bei dem Zusammenleben mit Ihrem Hund um eine sehr individuelle und auch hoch emotionale Angelegenheit handelt.

Unsere Hunde sind genauso individuell wie wir Menschen. Sie sind Lebewesen und keine Maschinen. Darum kann es weder festgelegte pauschalisierte Erziehungsmethoden geben,
noch den „Einen“ richtigen Weg im Umgang mit ihnen. Eins ist jedoch sicher und wird sich nie ändern: Unsere Hunde, wie auch wir Menschen können in einem sozialen Umfeld nur nach den Lerngesetzen miteinander leben und klarkommen. Diese Lern-/Naturgesetze werden sich auch nicht, auch nicht nach neuesten wissenschaftlichen Lernmethoden, ändern.
Zum Lernen gehört dazu, dass ich Fehler mache, dass mir diese Fehler als solches aufgezeigt werden, dass ich immer eine für mich verständliche und nachvollziehbare Konsequenz daraus erlebe und mit gezeigt wird, wie es richtig geht und ich bei richtiger Handlung eine angepasste und zugeordnete Bestätigung bekomme. Dieses kann man nur umsetzen, wenn es feste Regeln und Grenzen gibt, die auch einzuhalten sind.
Dieses Lerngesetz ist 1 zu1 umsetzbar auf alle sozialen Lebewesen, also auch auf Mensch und Hund. Danach leben wir alle täglich. Einzig die praktische Umsetzung ist zwischen Mensch und Hund unterschiedlich, sofern wir den Hund auch als das betrachten und empfinden, was er ist. Ein Hund!

Ein Bespiel für das außer Acht lassen dieser Regeln und Gesetze ist mein aktueller Hund „Deyssi“. Sie ist nun 4 Jahre alt und seit Ostern 2025 bei mir. Ich habe sie aus dem Tierschutz, genauer gesagt aus dem Tierheim in Gelnhausen, mit denen ich seit sehr vielen Jahren eng verbunden bin. Dieses Tierheim leistet eine hervorragende Arbeit mit und für die dort zu vermittelnden Hunde und anderen Tiere. „Deyssi“ ist ein Mix mit einem vermutlichen größeren Anteil an Tschechoslowakischer Wolfhund (TWH). Sie ist sehr selbstbewusst und mental ein sehr sicherer Hund mit einer starken Persönlichkeit. Sie lebte bei einer privaten Familie, wo es keine Regeln und Grenzen für sie gab. Die Folge waren dann mehrere Beißvorfälle gegen ihre Menschen aufgrund einer entwickelten Status-Aggressivität. Diese Beissvorfälle waren und sind auch absolut aus ihrer Sicht ernst gemeint und mit starken Verletzungen einhergehend. Sie wurde dann durch diese Menschen via Ebay-Kleinanzeigen weitervermittelt. Vermutlich (sehr wahrscheinlich) ohne ihre Verhaltensauffälligkeiten näher zu beschreiben. Kurz nach dieser Weitervermittlung kam es bei den neuen Menschen natürlich wieder zu erneuten Beissvorfällen und sie kam wieder zurück zur ursprünglichen Familie. Auch dort hat sich dann nichts geändert und die Folge waren weitere Vorfälle bis ein Zusammenleben nicht mehr ging bzw. zu gefährlich wurde. „Deyssi“ wurde dann durch die Behörden von dieser Familie weggeholt und ins Tierheim gebracht, bis sie dann zu mir gekommen ist. Natürlich hat sie auch bei mir entsprechende Verhaltensmuster gezeigt und zeigt sie in bestimmten Situationen immer noch. Warum sollte sie es auch nicht machen!? Meine Aufgabe in unserem weiteren Zusammenleben und in der Beziehungsarbeit ist es nun, ihr klar zu machen, dass es Regeln und Grenzen gibt und dass nur ein entspanntes Miteinander zwischen mir und ihr möglich ist, wenn diese Regeln und Grenzen eingehalten werden. Wir sind hier bereits auf einem sehr guten Weg und die Infragestellung meiner Person durch sie wird deutlich weniger und vor allem wenn, dann nicht mehr ganz so heftig. Auch hier kann und muss man durchaus Verständnis für diesen Hund haben, denn er hat in der Vergangenheit leider nichts anderes gelernt. Wäre „Deyssi“ nicht durch mich oder einen anderen sehr, sehr hundeerfahrenen Menschen übernommen worden, wäre ihr Schicksal vorprogrammiert gewesen: Langzeitinsasse im Tierheim oder Euthanasie. Man muss es so deutlich aussprechen. D.h. natürlich nicht, dass in unseren Tierheimen nur solch problematische Hunde sitzen. Nein, sehr viele Hunde in den Tierheimen sind unproblematisch und warten auf ihre neuen Menschen. Wichtig ist, dass aus den vielen unproblematischen Hunden durch falsches Verständnis und falsche Anleitung zukünftig keine weiteren Problemfälle werden.
Dies ist eins von vielen traurigen Beispielen, in denen mit Hunden falsch umgegangen wird, wo sie zu sehr vermenschlicht werden, wo keine oder nur unklarer Regeln und Grenzen herrschen, wo Menschen durch vermeintliche Fachleute falsch angeleitet werden und der Hund nicht mehr als Hund betrachtet und wertgeschätzt wird.

© Andreas Schmitt – 2025
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